METHODIK 

TP1: Dendro­ökologie

Messung der Baumdaten

Bäume reagieren auf aktuelle Wetterbedingungen, wie Temperatur und Wasserverfügbarkeit: während des sonnigen Tages verliert ein Baum über die Transpiration der Blätter mehr Wasser, als über die Wurzeln aus dem Boden nachgeliefert werden kann. Dadurch schrumpft der Stammumfang geringfügig. Während der Nacht nimmt der Baum wieder mehr Wasser über die Wurzeln auf, während die Transpiration zum Erliegen kommt. Durch das Aufquellen des Holzgewebes wird der Stammumfang wieder größer. Gleichzeitig bildet der Stamm durch die Tätigkeit des Kambiums (Wachstumsschicht zwischen Holz und Rinde) neue Zellen, wodurch der Stammumfang ebenfalls über die Vegetationsperiode langsam zunimmt.

Physiologische Messinstrumente können die Stammdickenänderungen und den Wassertransport von Bäumen in Echtzeit registrieren und dabei mögliche Stresssituationen bei ungünstiger Witterung erfassen.

Punktdendrometer (Variation von „model ZN11-T-WP“)

Der Punktdendrometer misst Stammradiusänderungen mikrometergenau und in einer sehr hohen zeitlichen Auflösung (alle 10min). Er ist in einem Rahmen mit zwei Gewindestangen am Baum fixiert, sodass der Sensor (elektronischer Metallstift) mit einer Feder ganz leicht gegen die Stammoberfläche gedrückt wird. Kleinste Dickenänderungen des Stammes (Quellen und Schrumpfen des Gewebes, Stammwachstum) können registriert und somit zum Beispiel Start und Ende der Vegetationsperiode aufgezeigt werden. Damit Temperaturschwankungen bei der Messung der Stammradiusänderung berücksichtigt werden, befindet sich ein Thermometer an den Gewindestangen.

Saftflusssensor („Sapflow+ sensors“)

Der Saftflusssensor setzt sich aus einem Heizstab und drei Temperaturfühlern zusammen und misst die Rate des Wasserflusses innerhalb des Stammes. Hierfür erwärmt der Heizstab das Wasser im Stamm in regelmäßigen Abständen („heat-pulse method“). Die Temperaturfühler wiederum, die neben, über und unterhalb des Heizstabs angebracht sind, messen die Temperatur des Baumsaftes an ihrer jeweiligen Position. Anhand der Temperaturunterschiede zwischen den verschiedenen Messfühlern kann die Saftflussrate basierend auf den Gesetzen der Thermodynamik in g h-1 berechnet werden.

Abb.: Punktdendrometer, Saftflusssensor, Logger

Logger

Die Datenerfassung erfolgt über Datenlogger und die Software PhytoSense. Jeder Logger ist mit dem Internet verbunden und sendet die aufgezeichneten Messdaten via Antenne über das Mobilfunk-Netz an den PhytoSense Cloud Service. Hier erfolgen die Datenspeicherung, die Datenanalyse, die Datenverarbeitung, sowie prozessbasierte Modellsimulationen und Kalibrierungen. Dies alles erfolgt in Echtzeit, weshalb auf BayTreeNet.de und TreeWatch.net die Daten von jedem überwachten Baum visualisiert werden können. Damit besteht die Möglichkeit, den aktuellen Aktivitätszustand jedes einzelnen „talking trees“ aufzuzeigen und zu verfolgen.

 METHODIK 

TP2: Klima­dynamik

Klimamodellierung

Klimamodelle sind wichtige Instrumente, um das vergangene, gegenwärtige und zukünftige Klima Bayerns zu verstehen. Die Modelle sind numerische Darstellungen des Klimasystems und haben unterschiedlichen Komplexitätsgrade sowie räumliche und zeitliche Auflösungen. Klimamodelle verwenden mathematische Gleichungen, um die Entwicklung der Hauptkomponenten des Klimasystems (Land, Ozean, Atmosphäre und Kryosphäre) und ihre Wechselwirkungen zu simulieren. Die Atmosphäre, basierend auf Breite, Länge und Höhe, teilt man dabei in dreidimensionale Gitterzellen, für die die erwähnten mathematischen Gleichungen jeweils gelöst werden. Die räumliche Auflösung des Modells wird durch die Größe der Gitterzellen bestimmt, und diese Wahl hängt von der wissenschaftlichen Fragestellung sowie den verfügbaren Rechenressourcen ab. Kleinere Gitterzellen bieten im simulierten Klima mehr räumliche Details, jedoch sind für diese Simulationen leistungsfähigere Computer erforderlich.

Für das Projekt BayTreeNet verwenden wir ein sogenanntes regionales Klimamodell (RCM). RCMs konzentrieren sich auf ein begrenztes Gebiet mit hoher räumlicher Auflösung, was eine verbesserte Darstellung kleinräumiger Prozesse und regionaler Merkmale (z. B. Topographie, Vegetation, Küsten) ermöglicht. Da das Modellierungsgebiet (Modell-Domäne) begrenzt ist und sich nicht über den gesamten Globus erstreckt, werden Informationen zur Atmosphäre an den Seiten der Domäne benötigt. Häufig werden Informationen zu Temperatur, Wind und Luftfeuchtigkeit einem sogenannten Reanalyseprodukt entnommen, das Beobachtungsdaten mit den Ergebnissen eines globalen numerischen Modells kombiniert.

Die Simulationen liefern hochauflösende (für Gitterzellen mit 1,5 km Maschenweite über Bayern) Informationen darüber, wie großräumige Wettermuster die lokalen meteorologischen Bedingungen im Umfeld der untersuchten Bäume zwischen 1988 und 2018 beeinflusst haben.

 METHODIK 

TP3: Bildung für Nach­haltige Entwicklung (BNE)

Zielsetzung

Entwicklung und begleitende Erforschung der Wirkungen einer Unterrichtssequenz zu regionalen Klimawandelfolgen in Bayern im Rahmen des Design-Based-Research

Entwicklung der Unterrichtssequenz

Die Unterrichtssequenz thematisiert am Beispiel von Wäldern regionale Klimawandelfolgen in Bayern. Als Rahmen dient das Leitbild einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE). Im Zentrum des Unterrichts stehen die Daten von zehn unterschiedlichen Baumstandorten. Diese umfassen baumphysiologische Daten, also Informationen über das Wachstum und über den Saftfluss. Hinzu kommen meteorologische Daten, also Informationen zum aktuellen Wettergeschehen (Temperatur und Niederschlag). In Echtzeit werden die Daten von zehn Talking Trees auf die BayTreeNet-Homepage übertragen und in graphischer Form (Diagramme) dargestellt. Darüber hinaus informiert jeder Talking Tree täglich in Form eines tweet über seinen „Gemütszustand“ – zum Beispiel: „Es ist trocken und heiß, langsam geht mir das Wasser aus“. Diese tweets werden von Schüler*innengruppen geschrieben, die jeweils einen Baum betreuen. Täglich analysieren sie dazu die Baum- und die Wetterdaten und „übersetzen“ diese in allgemeinverständliche Sprache. Die Daten und die tweets von allen zehn Baumstandorten bilden den Kern der Unterrichtssequenz, die für Schüler*innen von Gymnasien in ganz Bayern nutzbar ist. Schüler*innen können so in einem digitalen Lernsetting in Echtzeit mit konkreten Messdaten arbeiten und über den Klimawandel „vor ihrer Haustür“ lernen. Aus fachlicher Perspektive kommt dabei den Auswirkungen bestimmter, und durch den Klimawandel in Zukunft häufiger auftretender, Wetterlagen auf Bäume eine besondere Bedeutung zu. Durch die konkreten Messdaten und die tweets werden diese den Schüler*innen anschaulich vor Augen geführt.

Methodik der begleitenden Forschung

Den Forschungsrahmen bildet der Design-Based-Research, der die Entwicklung der Unterrichtssequenz und die begleitende Erforschung von Wirkungen systematisch miteinander verbindet. Ergebnisse der begleitenden Forschung fließen in eine Überarbeitung der Sequenz ein. Anschließend wird diese erneut eingesetzt und forschend begleitet. Die Erforschung der Wirkungen stützt sich auf ein Untersuchungsdesign mit drei Messzeitpunkten t1, t2 und t3 (Prä-, Post- und Follow-Up-Erhebung) und bezieht eine Vergleichsgruppe mit ein (quasi-experimentelles Design mit Versuchs- und Vergleichsgruppe).

Zunächst werden bei Schüler*innen zu t1 das klimawandelbezogene Fachwissen sowie beispielsweise die Motivation und die persönliche Betroffenheit anhand eines quantitativen Fragebogens erhoben (Prä-Messung). Anschließend wird mit den Schüler*innen anhand der oben beschriebenen Sequenz Unterricht zu regionalen Folgen des Klimawandels für Bayern durchgeführt. Zu t2 (also nach Abschluss der Unterrichtssequenz) kommt der Fragebogen erneut zum Einsatz, um mögliche Veränderungen im Fachwissen, der Motivation etc. durch den Unterricht feststellen zu können (Post-Messung). Nach einer zeitlichen Distanz von einigen Wochen folgt schließlich zu t3 die letzte Erhebung (Follow-Up-Messung). Diese dient dazu festzustellen, in wie weit festgestellte Veränderungen zeitlich überdauernd sind.

Abb.: Zwei-Gruppen-Untersuchungsdesign mit drei Messzeitpunkten

Ein besonderer Fokus soll im Forschungsprozess auf den Einfluss digitaler Arbeitsweisen gelegt werden. Hierzu werden in einer Schüler*innengruppe alle in der Unterrichtssequenz vorkommenden digitalen Arbeitsweisen durch analoges Arbeiten ersetzt. Auch in dieser Gruppe wird die beschriebene Forschungsmethodik angewandt und mit den Ergebnissen der anderen Schüler*innen verglichen.

Abb.: Einfluss digitaler Arbeitsweisen

Die Unterrichtssequenz soll auf Basis der Evaluation und dem Feedback der Schüler*innen sowie der Lehrkräfte verbessert und anschließend erneut in der schulischen Praxis erprobt werden. Dieser Zyklus aus Entwicklungs-, Durchführungs- und Forschungsphasen wiederholt sich (im Sinne des Design-Based-Research) insgesamt drei Mal, bevor das Unterrichtskonzept zu regionalen Klimawandelfolgen allen bayerischen Gymnasien zur Verfügung gestellt werden soll.